.

Richtlinien der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz für die Gefängnisseelsorge

Vom 18. Dezember 2015

(KABl. 2016 S. 3)

#
Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat folgende Richtlinien beschlossen:
###

Präambel

„Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen“ (Matthäus 25,36).
Der Dienst der Gefängnisseelsorge gründet sich auf den Auftrag, der der Kirche für ihr gesamtes Wirken aufgegeben ist. In der Nachfolge Jesu sind Christinnen und Christen dazu aufgerufen, sich denen zuzuwenden, die als Straffällige von vielen ausgegrenzt und abgelehnt werden, und ihnen und ihren Angehörigen Begleitung, Unterstützung und die gute Botschaft vom Anbruch der Herrschaft Gottes in dieser Welt, von Gericht und Gnade, von der Versöhnung mit Gott und den Menschen, von der Vergebung der Sünden und der Erneuerung zur Liebe anzubieten. Dieser Auftrag führt die Gefängnisseelsorge zur Einheit von Verkündigung, seelsorgerlichem Gespräch und diakonischem Handeln.
#

I.
Allgemeines zur Gefängnisseelsorge

  1. Das Angebot der Gefängnisseelsorge steht wegen seiner Bedeutung unter dem Schutz des Grundgesetzes. Es richtet sich nicht nur an die evangelischen Gemeindeglieder, sondern gilt für alle Gefangenen. Es schließt ausdrücklich die Bereitschaft zur Seelsorge an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten ein.
  2. Der Dienst in der Gefängnisseelsorge geschieht insbesondere durch:
    • die Verkündigung des Wortes Gottes in Gottesdienst, Andacht, Taufe und Abendmahl sowie die Abnahme der Beichte,
    • Besuche der Gefangenen in ihren Hafträumen,
    • Einzel- und Gruppengespräche,
    • Unterweisung sowie Gruppenarbeit und Kurse,
    • Hilfe zur Bewältigung des täglichen Lebens in Zusammenarbeit mit anderen Diensten, Einrichtungen und Menschen, die den Gefangenen zugewandt sind,
    • Krankenbesuche,
    • die Beteiligung bei Besuchen und Begleitung bei Ausführungen in seelsorgerlich begründeten Fällen,
    • die Bereitschaft zur Äußerung in Gnadensachen,
    • die Teilnahme an Vollzugsplankonferenzen und die eigenverantwortliche Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels in enger Zusammenarbeit mit den anderen im Vollzug Tätigen,
    • seelsorgerliche Beratung für Angehörige von Gefangenen,
    • Seelsorge an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz und Mitwirkung an deren Aus- und Weiterbildung,
    • ökumenische Zusammenarbeit insbesondere mit der katholischen Gefängnisseelsorge,
    • Bereitschaft zu interreligiöser Zusammenarbeit,
    • die Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit zu Themen des Justizvollzugs und der Straffälligenhilfe in Gesellschaft und Kirche.
  3. Die Gefängnisseelsorge arbeitet mit den verschiedenen Bereichen und Dienststellen der Anstalt zusammen und hält Kontakt zum Kirchenkreis und zu den Kirchengemeinden. Sie sucht geeignete ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Dienst an Gefangenen und Entlassenen zu gewinnen, begleitet die Ehrenamtlichen und beteiligt sich an deren Aus- und Fortbildung.
#

II.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gefängnisseelsorge

  1. Der Dienst der Seelsorge im Gefängnis wird wahrgenommen durch haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese sind Pfarrerinnen und Pfarrer und berufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch das Konsistorium beauftragt werden. Die nicht ordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden einer Pfarrerin oder einem Pfarrer zugeordnet.
  2. Alle Gefängnisseelsorgerinnen und Gefängnisseelsorger sollen zur Dienstvorbereitung eine Orientierungsphase in Form einer Hospitation durchlaufen. Eine zusätzliche spezifische Seelsorgeausbildung ist von allen haupt-, neben- und ehramtlichen Gefängnisseelsorgerinnen und Gefängnisseelsorgern zu absolvieren. Supervision ist verpflichtend.
  3. In jeder Justizvollzugsanstalt soll mindestens eine Gefängnisseelsorgerin oder ein Gefängnisseelsorger tätig sein.
  4. Die hauptamtlichen Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger sind Inhaberinnen oder Inhaber landeskirchlicher Pfarrstellen oder landeskirchliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter.
  5. In Justizvollzugsanstalten mit mehreren Gefängnisseelsorgerinnen und Gefängnisseelsorgern hat eine oder einer die Geschäftsführung inne. Dazu gehört insbesondere die Vertretung der Anliegen der Gefängnisseelsorge gegenüber der Justizvollzugsanstalt und die Führung der Bürokasse.
  6. Die Dienstaufsicht liegt beim Konsistorium.
#

III.
Der Konvent für Evangelische Gefängnisseelsorge in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

  1. Die durch die Landeskirche beauftragten haupt-, neben- und ehrenamtlichen Gefängnisseelsorgerinnen und Gefängnisseelsorger bilden den Konvent für Evangelische Gefängnisseelsorge in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Teilnahme am Konvent ist verpflichtend. Er tagt in der Regel viermal jährlich, davon einmal jährlich gemeinsam mit dem Beirat.
  2. Aufgaben des Konvents sind insbesondere:
    • Erarbeitung von Vorschlägen zur Fort- und Weiterbildung und Vermittlung von Fortbildungsangeboten,
    • Reflexion des Auftrags der Gefängnisseelsorge und vollzugspolitischer Fragen,
    • Beratung der Landespfarrerin oder des Landespfarrers bei der Vertretung der Belange der Gefängnisseelsorge,
    • Förderung der Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Gefängnisseelsorge,
    • kollegiale Beratung, gegenseitige Unterstützung und geschwisterliche Seelsorge.
  3. Der Konvent wählt für die Dauer von drei Jahren eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden, die gemeinsam mit der Landespfarrerin oder dem Landespfarrer den Konvent vorbereiten, einberufen und leiten. Die Vorsitzenden unterstützen die Landespfarrerin oder den Landespfarrer bei der Planung und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen.
  4. Die Mitglieder des Beirats für die Evangelische Gefängnisseelsorge können auf Einladung durch die Konventsvorsitzende oder den Konventsvorsitzenden beratend an den Sitzungen des Konvents teilnehmen.
  5. Der Konvent ist Regionalkonferenz der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland und entsendet ein Mitglied in deren Beirat.
#

IV.
Landespfarramt für Gefängnisseelsorge

  1. Die Kirchenleitung beruft eine Pfarrerin oder einen Pfarrer für die Dauer von längstens sechs Jahren als Landespfarrerin oder Landespfarrer für Gefängnisseelsorge der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge und der Konvent können Vorschläge machen. Eine Wiederberufung ist zulässig.
  2. Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer für Gefängnisseelsorge ist Inhaberin oder Inhaber einer landeskirchlichen Pfarrstelle für Gefängnisseelsorge in einer Justizvollzugsanstalt. Sie oder er nimmt zusätzlich zu ihrem oder seinem Pfarrdienst das Landespfarramt wahr. Damit sie oder er den Landespfarrdienst angemessen wahrnehmen kann, sorgt die Landeskirche für ihre oder seine Entlastung bei der Wahrnehmung des seelsorgerlichen Dienstes in ihrer oder seiner Pfarrstelle.
  3. Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer nimmt folgende Aufgaben wahr:
    • Fachaufsicht über die Gefängnisseelsorgerinnen und Gefängnisseelsorger und in diesem Rahmen die Mitwirkung bei Personalentscheidungen,
    • Planung und Gestaltung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gemeinsam mit den Vorsitzenden des Konvents und die Verantwortung für ein ausreichendes Angebot,
    • Vertretung der Gefängnisseelsorge
      1. gegenüber den Justizvollzugsanstalten,
      2. gegenüber den Kirchenkreisen und -gemeinden gemeinsam mit den jeweils dort in der Gefängnisseelsorge Tätigen,
      3. gegenüber der Öffentlichkeit in Abstimmung mit dem Konsistorium und der oder dem Vorsitzenden des Beirats für Evangelische Gefängnisseelsorge,
    • Teilnahme am Gesamtephorenkonvent und am Konvent der Beauftragten,
    • Vertretung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in den Fachgremien der Evangelischen Kirche in Deutschland in Absprache mit dem Konsistorium.
    Die Landespfarrerin oder der Landespfarrer kann bestimmte Aufgaben an andere Mitglieder des Konvents, insbesondere an die Vorsitzende oder den Vorsitzenden, in Abstimmung mit dem Konsistorium übertragen.
#

V.
Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge

  1. Die Kirchenleitung beruft einen Beirat für Evangelische Gefängnisseelsorge. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Ihm sollen bis zu sechs Personen angehören. Mindestens die Hälfte von ihnen soll nicht in einem kirchlichen Dienstverhältnis stehen. Nachberufungen werden nur für die verbleibende Amtszeit des Beirats ausgesprochen. Bis zur Berufung eines neuen Beirats bleiben die Mitglieder im Amt. Eine Wiederberufung ist zulässig. Der Konvent kann dazu Vorschläge machen. Die oder der Vorsitzende des Konvents, die Landespfarrerin oder der Landespfarrer und das Konsistorium nehmen an den Sitzungen mit beratender Stimme teil.
  2. Aufgaben des Beirats sind insbesondere:
    • Begleitung und Beratung der Gefängnisseelsorge,
    • Unterstützung der Belange der Gefängnisseelsorge im politischen und gesellschaftlichen Raum,
    • die Förderung der Einbindung der Gefängnisseelsorge in die Kirchengemeinden, Kirchenkreise und die Landeskirche,
    • die Förderung der neben- und ehrenamtlichen Mitarbeit in der Gefängnisseelsorge,
    • die Mitwirkung bei der Erstellung und Änderung von Richtlinien und Ordnungen für die Gefängnisseelsorge durch Beratung und Vorschläge,
    • die Mitwirkung bei der Verteilung der Stellen für haupt- und nebenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gefängnisseelsorge im Rahmen des landeskirchlichen Stellenplans und der Vereinbarung mit den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen,
    • die Erarbeitung von Personalvorschlägen für das Konsistorium und die Kirchenleitung zur Besetzung der Stellen in der Gefängnisseelsorge und der Berufung der Landespfarrerin oder des Landespfarrers,
    • die Begleitung der Arbeit des Konvents, insbesondere durch Entgegennahme und Beratung von Erfahrungsberichten aus den Justizvollzugsanstalten.
  3. Der Beirat wählt für die Dauer seiner Amtszeit eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden sowie eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Die oder der Vorsitzende führt die Geschäfte des Beirats und beruft ihn ein. Sie oder er muss dies tun, wenn ein Drittel der Mitglieder oder die Kirchenleitung dies unter Angabe von Gründen verlangt.
  4. Der Beirat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Beschlüsse des Beirats werden nach Möglichkeit einvernehmlich gefasst. Kommt keine Übereinstimmung zustande, entscheidet die einfache Mehrheit der Stimmen. Bei Stimmengleichheit kommt kein Beschluss zustande. Über die Beratungen wird ein Protokoll angefertigt, das von der oder dem Vorsitzenden zu unterzeichnen ist.
  5. Der Beirat tagt in der Regel zweimal jährlich, davon einmal jährlich gemeinsam mit dem Konvent.
#

VI.
Inkrafttreten/Außerkrafttreten

Diese Richtlinien treten am 1. Januar 2016 in Kraft; zugleich treten die Richtlinien für die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten im Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg vom 30. Mai 1997 (KABl.-EKiBB S. 146) außer Kraft.